Vorstellungskraft
Vorstellungskraft - die Geschichte zu "Too hot to imagine"
Ihr Ruf eilte ihnen
voraus. Sie seien gewalttätig, egozentrisch, kriminell und einfach
nur böse. Die Rockergang der „Firedragons“ war nicht sonderlich
beliebt unter der kultivierten Bevölkerung. Manch Lokal hatten sie
bereits auseinandergelegt und schon einige kräftige Bauernburschen
fielen ihren Schlägereien zum Opfer. Wild und ungezügelt waren die
Firedragons. Sie liebten die Freiheit und Unabhängigkeit und ließen
sich nicht zurecht oder in ihre Schranken weisen. Bis eines Tages bei
einer Großrazzia ihr Bandenboss Bronko von der Polizei verhaftet und
für fünf Jahre hinter Gitter gesteckt wurde. In dieser Zeit wurde
es ruhig um die, in enges Leder gekleideten Jungs und sie ließen
sich kaum noch blicken in der nun wieder zur Ruhe gekommenen
Kleinstadt.
Bronko, der die Freiheit
liebte und nichts mehr hasste als eingesperrt zu sein wurde zunehmend
wunderlicher. Wie ein wildes Tier tobte er des Nachts in seiner
Zelle so dass ihn die Wärter mit Medikamenten still halten und ihn
sogar an sein Bett fixieren mussten. Von den Wirkungen der
Beruhigungsmitteln benebelt schlich er beim Hofgang lustlos umher und
es dauerte lange Zeit bis er Freundschaft schloss mit einem
ehemaligen Zuhälter, namens Alexander, dessen Bordell geschlossen
wurde, da er seine Damen misshandelte. Dieser erzählte ihm von
seinem liebsten Pferdchen im Stall, einer heißen Russin mit dem
Namen Natalja.
Sie sei nun Sängerin in
einer Cabaret Show und er habe etwas Bedenken um ihre Sicherheit, da
ehemalige Freier ihr auflauern und sie belästigen könnten. Sie
bräuchte jemanden an ihrer Seite, der sie beschützen sollte. Einen
echten Mann eben – einen wie Bronko. Alexander faszinierte die
Respekt einflößende Erscheinung Bronkos und er war sich sicher, das
Natalja ihm verfallen würde sobald er mit seiner Maschine vor dem
„Chauve Souris“ vorgefahren käme. Alexander meinte Natalja bei
Bronko in guten und sicheren Händen. Dass dieser jedoch mit dunklen
Mächten einen Bund geschlossen hatte war Alexander nicht bewusst.
Die starken Medikamente,
sein verzweifelter Freiheitsdrang und der Hass auf die Menschen die
ihn verraten hatten lockte einen Dämon herbei der sich eines Nachts
in seiner Zelle zu ihm gesellte. Dieser versprach ihm Reichtum,
Erfolg und uneingeschränkte Macht zu einem hohen Preis. Er müsse
sich selbst töten, damit der Dämon Einzug nehmen könne in seinen
Körper. Wenn er dann auferstehen würde aus seinem Grabe könnte er
alle Frauen besitzen die er begehre, alle ehemaligen Feinde
heimsuchen, die er hasste.
Für einen Rocker ein
verlockendes Angebot. Er sah sich schon die Herrschaft über Dörfer
und Städte, die vor ihm in Angst und Schrecken lebten, zu
erkämpfen. Spürte wie sich ihm willenlose Damen hingaben und sah
seine Feinde mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen. Was für
eine Genugtuung die er dabei verspüren würde nach fünf Jahren der
Gefangenheit.
Natalja tanzte und sang.
Ihr Blick war rein und unschuldig doch ihr glitzerndes
Paillettenkleid verriet ihre wahre Vergangenheit und Herkunft.
Verborgen in einer dunklen Ecke beobachtete er sie mit seinen roten
Augen und zog sich die Kapuze seines Pullovers tiefer in die Stirn.
Niemand durfte ihn erkennen. Vor dem Lokal parkte seine schwarze
Harley mit der Airbrushflamme auf dem Tank, chromblitzend im Schein
der Straßenlaternen.
Als Natalja in einem
braunen Mantel mit üppigem Pelzkragen und hohen Stiefeln gegen 2 Uhr
morgens durch den Hinterausgang ihre Umkleide verließ, lauerten
bereits zwei angetrunkene heimliche Verehrer hinter der Mauer. Sie
warteten nur auf eine günstige Gelegenheit sich ihr in den Weg zu
stellen um sie zu bedrängen. Dass hinter der nächsten Häuserecke
Bronko auf seiner Maschine saß und nur darauf wartete, dass diese
beiden Kerle seinen Schützling begrapschten, wusste niemand.
Es kam wie es kommen
musste. Natalja trat ihren Heimweg durch die dunkle Gasse in der sich
das „Chauve Souris“ befand an und wurde an der Mauer von den
beiden jungen Männern abgefangen die sich ihr plötzlich in den Weg
stellten. „Wohin solls denn gehen?“ fragten die Beiden süffisant
und kamen auf sie zu. „Haste vielleicht noch ein Schlafplätzchen
frei für zwei herrenlose Hunde wie uns? Ich lecke wie Lessi!“
scherzte der der andere und machte ordinäre Andeutungen wie sein
Dank für den nächtlichen Ruheort aussehen könnte. „Lasst mich in
Ruhe!“ herrschte Natalja die beiden Kerle an die darauf
entgegneten: „ Wenn wir Dir 50 Mäuse zahlen sieht die Welt doch
sicherlich wieder anders aus! Nun komm schon, bei Deinen ehemaligen
Freiern hasste Dich doch auch nicht so prüde angestellt!“ und
schon kam der größere der Beiden mit den kurzen Stoppelhaaren auf
Natalja zu und griff ihr grob an die Brüste.
Dies war der Startschuss
für Bronko der seine Maschine aufröhren ließ und von hinten
angesaust kam, mit seinen kalten Händen Natalja ergriff, diese auf
den Sitz seiner Harley zog und davon preschte. Es war als ob sie
durch die Luft flogen. 200 Sachen waren nichts dagegen. Als Bronko
seinen Kopf nach hinten wandte um zu sehen ob Natalja sich brav an
ihn klammerte sah sie in seine roten Augen und erstarrte. Wie auf
einem Feuerschweif rauschten sie durch die Nacht vorbei an den
Häusern der Stadt hinaus über die Felder und Wiesen.
Irgendwann stoppte Bronko
seine Maschine vor einer alten Villa deren Bewohner ihn einst
verraten hatten und die nun hinter dem Anwesen vergraben in klumpiger
Erde ruhten. „Mein Gott, wer sind Sie!“ wollte Natalja wissen
sobald sie schwankend von der Maschine glitt. „Ist das wichtig?“
fragte Bronko zurück und fixierte sie mit seinem hypnotischen Blick.
Willenlos besessen von seiner geheimnisvollen Persönlichkeit folgte
ihm Natalja in sein Reich. Die Fenster waren verhängt mit dunklen
Vorhängen, sie liefen durch düstere Räume in denen es nach
verwelkten Blumen und betörendem Parfum roch.
„Wenn dieser Typ mich
verführen möchte so lasse ich alles mit mir geschehen.“ dachte
sich Natalja und ihre Augen waren geheftet auf seinen in schwarzes
Leder gekleideten Körper der sich geschmeidig bewegte wie ein
Panther, der sich an sein Opfer heranpirscht. „Zu überwältigend
als ob dies Realität sein könnte!“ Natalja folgte dem Unbekannten
benommen und erwartungsvoll. Ungewollte Lust stieg in ihr auf und
bald war das Verlangen größer als die Vernunft die sie immer wieder
warnte:“ Du kennst diesen Mann doch gar nicht! Was ist, wenn er
Dich ausrauben oder gar umbringen möchte! Hast Du seine Augen
gesehen? Wie ein Dämon funkelte er Dich an, wie auf einem Kometen
seid ihr durch den Nachthimmel geschossen!“
Doch gerade diese
unrealistisch wirkenden Tatsachen faszinierten Natalja. Sie war
bereits nicht mehr Herrin ihrer selbst. Die Führung und Herrschaft
über ihren Willen und ihren Körper hatte sie bereits in die Hände
des mysteriösen Fremden gegeben der sie in sein Schlafzimmer führte.
„Zieh Dich aus!“
befahl er ihr in trockenem Ton und Natalja gehorchte ohne den Blick
von seinen Augen wenden zu können. Als sie das kühle Leder auf
ihrer Haut spürte und er sie mit seinen Armen und Beinen fesselte,
wie eine Schlange die ihre Beute umschlingt, spürte sie all seine
Kraft. Zuerst bäumte sie sich stöhnend auf, versuchte sich gegen
ihn zu stemmen um vielleicht doch noch zu entfliehen, sah es jedoch
schnell ein, dass sie keine Chance gegen ihn hatte.
Als er seinen Kopf in
ihrem Schoß versenkte, spürte sie, wie alle Energie aus ihr wich,
als ob er ihr die Seele aus dem Leibe saugen würde. Stählerne
Eisenketten legten sich um ihr Herz, verschlossen es gegen jeden
Eindringling der darin Liebe zu finden hoffte. Von nun an gehörte
Natalja ihm allein und keinem anderen Manne mehr. Ein Blick aus
seinen glühenden Augen brachte ihre Haut zum brennen und willenlos
erfüllte sie ihm jeden seiner bizarren Wünsche. Ein Wort aus seinen
vollen roten Lippen ließ sie gehorchen und wenn er ihren Namen rief
so ward sie sofort zur Stelle um nach seinem Begehren zu fragen und
sein Verlangen zu stillen. Eine Berührung seiner kalten, schmalen
Hände zwang sie in die Knie um zu liebkosen was er ihr darbot.
Sie war sein Spielzeug,
seine Marionette bis zu jenem Tag an dem die Polizei den seltsamen
Morden nachging. Als Spezialeinheiten, die Villa des „Firedragons“
stürmten fanden sie nur Natalja, zusammengekauert auf den
blutgetränkten Laken des Bettes liegen. Die Zimmer des Anwesens
wiesen keine ungewöhnlichen Merkmale auf und vom Täter fehlte jede
Spur. Dieser Fall blieb unaufgeklärt zumal Nataljas Körper keine
Wunde aufwies die erklären konnte, weshalb sie so viel Blut verloren
hatte.
„Hallo Alexander!“
schön und anmutig schritt Natalja auf ihren ehemaligen Zuhälter zu,
der sich verwundert in eine Ecke der Zelle flüchtete. Wie goldener
Honig flossen Nataljas Locken über ihren Rücken. Ihre üppigen
Brüste wölbten sich aus der nachtblauen Satinkorsage die ihre
Hüften einschnürten. Ihre langen, weißen Beine schimmerten durch
die Netzstrümpfe die in schwarzer Spitze endeten. „Verdammt, wie
kommst Du hier herein!“ Alexanders Worte waren nur noch ein
erstickter Aufschrei. Dann verschlug es ihm die Sprache und all die
Fragen die sein verblüfftes Gehirn quälten blieben ihm im Halse
stecken. Zu heiß für die menschliche Vorstellungskraft, war sein
letzter Gedanke den er fassen konnte bevor ihr Kuss ihn aussaugte
und nur eine leere Hülle auf einem blutroten Steinboden zurück ließ
bei dem sich die Beamten am nächsten Morgen fragten wie ihr Insasse
so viel Blut hatte verlieren können obwohl sein Körper keine Wunde
aufwies.
Hatten sie das gleiche Phänomen nicht schon ein Jahr zuvor bei Bronko, dem Anführer der Firedragons beobachtet? Man hakte den Vorfall, zumal niemand um ihn trauerte, als Selbstmord ab. Auch damals lag sein unversehrter Körper in einer Blutlache, neben ihm fand man zwei Rasierklingen. Weiß der Teufel woher er sie hatte. Einige Wochen nach Alexanders Ableben fand man einige Straßen entfernt von der Cabaret Bar „Chauve Souris“ die Leichen zweier junger Männer deren letzter Atemzug nach Schnaps und Bier roch....