Stürmische Gefühle
Stürmische Gefühle - Die Geschichte zu "Stormy Emotions"Wer von Ihnen, meine lieben Leser,
spürte noch nicht die mal kalten, mal warmen Hände des Windes. Sie
liegen in Badekleidung auf Ihrer Wolldecke oder einem großen
Frottehandtuch und schon wandern seine Hände über Ihren Körper,
spielen mit Ihrem Haar. Sanft trocknet er die Wassertropfen auf Ihrer
Haut oder lässt ungeniert die kurzen Röcke der leicht bekleideten
Damen auf dem Pier nach oben wehen um einen Blick darunter zu
erhaschen.
Leben Sie am Meer oder befinden Sie
sich gerade im Urlaub an der Nordsee? Sie spazieren über die Dünen
und dann, ganz ohne Vorankündigung stellt er sich ihnen entgegen und
sein kühler Atem küsst Ihr Gesicht, zerzaust Ihre Haare und lässt
Sie zittern. Fragen Sie sich einmal, ob es ihnen im Sommer wirklich
kalt ist oder ob der Wind nicht vielleicht doch Ihre Leidenschaft
entflammt hat.
Als kleines Kind träumte ich oft davon
mich einfach vom Balkon, einem hohen Gebäude oder einer Klippe
fallen zu lassen und vom Wind davon getragen zu werden. Ich flog mit
ausgebreiteten Armen über Wiesen und Wälder und sah unter mir die
Autos in Miniaturform über die Straßen rauschen und die Lichter der
Städte wie kleine Sterne leuchten.
Als junges Mädchen stellte ich mich,
wenn ich mich unbeobachtet wusste, in einem leichten Trägerkleidchen
auf den Balkon oder einen Hügel und wartete darauf, dass der Wind
mich besuchen kam. Leise und unauffällig schlich er sich heran. Ich
spürte seine Gegenwart als er zuerst um meine nackten Beine strich
und mit seinen Händen weiter empor wanderte. Mein Kleid flatterte in
der kühlen Briese und seine gierigen Hände gelangten überall hin.
Ich zitterte und löste das Band aus meinen langen Haaren um meine
Locken zu schütteln damit er mit ihnen spielen konnte.
Ich war ein Kind der Natur. Wenn meine
Eltern mich suchten so fanden sie mich im Wald, beim Klettern in den
Bäumen, beim Baden im nahe gelegenen See. Ich tollte umher mit den
Tieren auf unserem Bauernhof und sprang im Herbst ausgelassen durch
die von meinem Vater zuerst sorgsam zusammengerechten bunten
Laubhaufen. Im Winter fing ich die Schneeflocken mit meiner Zunge auf
und lies die kalten Kristalle in meinem Mund schmelzen. Wenn mich
jemand fragte welches Wetter oder welche Naturgewalt mir am liebsten
war so antwortete ich jedoch immer: „Der Wind!“
Als ich 17 Jahre alt war fuhren wir
tatsächlich an die See um meine Sommerferien auf der Insel Sylt zu
verbringen. Auch wenn sich am Nachmittag tausende von Touristen in
der Sonne bräunten und der aufgeheizte Sand unter meinen Füßen
brannte, so spürte ich dennoch stets die Gegenwart des Windes.
Während meine Eltern durch die wilden Wellen tauchten oder sich in
einem, durch den Wind sabotierten Ballspiel am Strand versuchten, zog
ich es vor über die Dünen zu schlendern oder von hohen Klippen auf
das brausende Meer zu blicken. Seine gewaltigen Wellen schlugen gegen
die Felsen und spritzten mir salzige Gischt ins Gesicht.
Mein erstes Date hatte ich mit ihm, dem
Wind. Er war mein unsichtbarer Liebhaber von dem niemand wusste, der
mich immer und überall besuchen kam und mich berührte wie kein
Wesen zuvor, so innig und beherrschend – leidenschaftlich und
ungebändigt.
Es dämmerte bereits, doch ich
vermochte nicht mich zu bewegen. Die Kälte seiner Hände lähmte
mich. Ich stand auf einer Klippe und sah weit unter mir die
stürmische See. Am dunkelblauen Himmel war der große, silbrig
schimmernde Vollmond der einzige Zeuge unserer Leidenschaft die
bereits die Karten einer Wahrsagerin vorhergesehen hatte.
„Sie werden eine stürmische Liebe
finden, schon bald. Es wird eine leidenschaftliche Affäre sein, die
nur diesen Sommer lang wärt. Doch auch, wenn sie mit Ihren Eltern
zurück nach Oberbayern gehen, werden Sie seine Gegenwart immer
spüren. Verlassen wird er sie niemals und als treuer Begleiter immer
an Ihrer Seite schreiten.“
Zuerst konnte ich diese geheimnisvolle
Aussage nicht deuten und hielt an der Strandpromenade und auf
Straßenfesten Ausschau nach gut aussehenden Männern die vielleicht
Interesse an mir haben könnten doch keiner von ihnen erweckte meine
Aufmerksamkeit.
Und jetzt sah ich dieses
durchscheinende über dem Meer schwebende Wesen. Wie Poseidon aus dem
Meer kam er aus den Wolken hervor und stand plötzlich vor mir in
seiner ganzen erhabenen und gewaltigen Größe. Sein Oberkörper war
nackt und von muskulöser Statur. Seine silbrige Haut schimmernde im
Mondenschein. Blaue Augen funkelten mich verschmitzt an und seine
meterlangen glatten weißblonden Haare wehten mir ins Gesicht so dass
ich zum Schutz meine Augen schließen musste.
Benommen gab ich mich ihm hin und
genoss wie seine Finger mich streichelten. Ich zitterte und
schwankte. Angst verspürte ich keine, denn ich wusste er würde mich
halten um mich vor einem Sturz in die Fluten zu bewahren. Zuerst
strichen seine kühlen Finger meine nackten Beine entlang wie eine
Katze die schnurrend um meine Unterschenkel schlich. Dann wanderten
seine Finger weiter, hoben mein Kleid, begutachteten das darunter
verborgene und jagten mir Schauder der Wolllust über den Rücken.
Ein Seufzen entfuhr meinen trockenen Lippen die er mit einem Kuss
seiner salzig-feuchten Lippen verschloss.
Einem Umhang gleich legten sich seine
seidigen Haare um meine Schultern und schenkten mir ein wenig Wärme
während seine gierigen Hände nach meinem Kopf griffen, diesen in
den Nacken zogen um meine Haare zu zerzausen und meine Brust mit
weiteren kalten Lufthauchküssen zu übersähen. Sein Atem, der meine
Haut liebkoste, und die kleinen von den Wellen heraufspritzenden
Wassertropfen trocknete, roch nach Salz und Meeresalgen.
Ich gab mich ihm hin, überließ meinen
Körper seiner Gewalt und schloss bebend vor Verlangen meine Augen.
Als ich mich fallen ließ stürzte ich nicht wie erwartet in die
dunkle Tiefe, sondern wurde von seinen starken Armen aufgefangen und
schwebte wie eine Möwe über der See. Es war ein wilder Ritt, dessen
Intensität mich Gefühlen entgegenschnellen ließ die ich zuvor
nicht kannte. So schnell, wie wir in den sternklaren Himmel flogen,
so steil schossen wir auf das Meer zu, tauchten ein und stiegen
erneut zu den nächtlichen Wolken auf.
Und als ich mich erschöpft und verzehrt von stürmischen Gefühlen in seine weichen Haare bettete, hörte ich dicht an meinem Ohr das leise Säuseln und Rauschen seiner sonoren Stimme, die mir von fernen Ländern, vergessenen Städten und Völkern erzählte. Ich wusste, dass es kein Zurück mehr gab und ließ mich von ihm entführen in ein verträumtes Wolkenreich. Und wenn ihr Menschen, das Plätschern von Regen vernehmt, dann gieße ich die Sterne, die in unserem Vorgarten wachsen und bin einfach nur glücklich und frei.